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Die Silberne Halbkugel,

Alois Sailer
2021 DNK Silberne Halbkugel Alois Sailer

Alois Sailer © Mathias Kotonski

Würdigung

„Herr, schenk Du Fried‘ dem Donauried,
und schütz‘ dies Land vor Unverstand“

Wer Heimatpfleger für nostalgische freundliche Großväter hält, die ihren Enkeln in der Adventszeit bei Kerzenschein von einer fremden, fernen, früheren Zeit erzählen, kennt Alois Sailer nicht. Auch wenn er heute mit 85 phänotypisch fast bilderbuchmäßig diesem Klischeebild entspricht, täuscht dies sehr über die Widerständigkeit und das Rebellische hinweg, das sich bei Alois Sailer speist aus einer tiefen Verwurzelung in der Natur und Kultur seiner schwäbischen Heimat. Konservativ sein zielt bei Alois Sailer immer auf das Engagement für den überlieferten Bestand, sei es der Schutz von großartigen natürlichen Landschaften oder von identitätswahrenden Bauten. Sein Engagement für die Schutzgemeinschaft Donauried seit den 1970er Jahren, für die Sailer seinen wohl bekanntesten Vers (s.o.: „Herr, schenk Du Fried dem Donauried …“) geschrieben hat, richtete sich gegen eine Reihe von technischen Großprojekten, die seinerzeit als innovativ und unerlässlich für die Entwicklung des Freistaates Bayern gegolten haben – und die heute nur noch wie Dinosaurier einer längst überholten Technikvorstellung wirken: So sollten im Donauried (nach vorausgehenden Planungen für einen Truppenübungsplatz, einen Düsenjägerlandeplatz und einen Bombenabwurfplatz) schließlich eine 58 km lange Teststrecke für eine Magnetschwebebahn errichtet werden und – neben Grundremmingen – in Pfaffenhofen ein zweites Atomkraftwerk entstehen. Gegen diese Projekte entwickelte sich ein erbitterter Widerstand in der Region – mit Alois Sailer als einen der profiliertesten Gegner. Sein eingangs zitierter Vers findet sich bis heute auf dem „Magnetschwebebahnkreuz“ bei Pfaffenhofen, einem Denkmal gegen die technokratische Hybris der 1970er und 1980er Jahre. Vom damaligen Ministerpräsidenten, dem legendären Franz Josef Strauß wurde er dafür als „Kommunist“ beschimpft, womit dieser ungewollt sicherlich das richtige charakterisierte: Communis (lat.) bedeutet schließlich der gemeinschaftliche Besitz, zu dem neben der überlieferten Natur im Sinne eines ganzheitlichen Umweltverstehens immer auch Kunst- und Kulturdenkmäler gehören. Als Heimatpfleger des Kreises Dillingen organisierte er seit den 1970er Jahren den Widerstand gegen die damalige Praxis, barocke Pfarrhöfe und historische Bauernhäuser auf dem Land abzubrechen zugunsten von pflegeleichteren Wohnhäusern. „Mit jedem Haus, das wir abreißen, reißen wir uns selbst ab“ sagt Alois Sailer, denn jedes alte Haus habe nicht nur eine architektonische und historische, sondern auch eine personengeschichtliche Dimension. Ungewürdigt bleiben muss hier sein literarisches Wirken – vermutlich bliebe der feine schwäbische Dialekt mit seinen dichten, nur unzureichend ins Hochdeutsche übersetzbaren Assoziationen hier in Berlin wohl ohnehin unverstanden. Mit der Silbernen Halbkugel würdigt das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz ein einzigartiges, mehr als fünfzigjähriges Engagement für den Schutz von Kultur und Natur: Wir gratulieren!

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Selbstdarstellung

Beinahe hätte es nicht geklappt mit dem Start ins Leben – die Hebamme musste 1936 mit Weihwasser nachhelfen. Alois Sailer wurde in die ländliche Welt des unteren Zusamtals hineingeboren. Auch hierhin kam der Krieg: eine vaterlose Kindheit, der Verzicht auf das ersehnte Studium, stattdessen eine landwirtschaftliche Ausbildung. Ehefrau Martha ermöglichte durch Mehrarbeit zwei Semester Fernstudium der Literaturwissenschaft. Ein erster Auftrag war ein Text für die Passionsspiele im schwäbischen Dorf Waal.
1966 wurde Anton Sailer Kreisheimatpfleger für den Landkreis Wertingen, nach der Kreisreform für den großen Landkreis Dillingen an der Donau. Wer die Heimat pflegt, wird auch zum Naturschützer. In der Mitte des Landkreises liegt das Donauried – die große, fast unbebaute Freifläche weckte Begehrlichkeiten. Ein langer Kampf um den Erhalt dieser grünen Niederung mit vielen Gleichgesinnten war schließlich erfolgreich.
Inzwischen sind es 55 Jahre im Dienst der Heimatpflege geworden, lange begleitet durch den guten Rat der inzwischen verstorbenen Ehefrau.