Medienpreis,
Antje Schneider
Würdigung
Mehr als 150 mittelalterliche Kirchenburgen prägen in Siebenbürgen das Bild der ehemals deutschen Dörfer. Sieben von ihnen zählen sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe. Doch der Film „Ambulanz für Denkmäler – Ruinen-Retter in Siebenbürgen“ von Antje Schulz zeigt beispielhaft den mühsamen Weg, der gegangen werden muss, um die vielen anderen Kirchenburgen zu retten. Einst stolze und wehrhafte Bauten prägen sie bis heute die Dörfer, doch stehen sie heute vielfach vor dem Verfall. Ihre Gemeindemitglieder, meist Siebenbürger Sachsen, haben das Land, in das ihre Vorfahren seit dem 12. Jahrhundert eingewandert waren, nach und nach gezwungenermaßen oder freiwillig verlassen. Ihre Häuser wurden von Neuankömmlingen wiedergenutzt, ihre reich geschmückten Kirchen jedoch stehen leer.
Der Film zeigt, wie junge engagierte Handwerker, Architekten und Freiwillige, Siebenbürger Sachsen und Rumänen, ganz pragmatisch versuchen, wenigstens die Bausubstanz zu sichern und die Kirchen für eine Zukunft zu retten, in der man ein Konzept haben würde, wie man sie nutzen kann, wie man sie wieder zum Leben erwecken kann. Mit viel Humor und Zuversicht wird an die Arbeit gegangen, auch wenn die Denkmäler sichtbar kurz vor dem endgültigen Zerfall stehen. Beispielhaft wird die Dachsanierung des Turmes der Kirche von Beia gezeigt, organisiert vom jungen Restaurator Stafan Vaida und seinem Bruder. Ein sanierter hölzerner Dachstuhl und eine neue Ziegeleindeckung lassen den Turm nicht in neuem Glanz erstrahlen, sichern aber sein Fortbestehen für ein paar Jahrzehnte. Mit den Sanierungsarbeiten einher geht auch immer ein Blick in das ehemalige Leben in und mit diesen Kirchen, auf ganz alltägliche Probleme bei solchen Einsätzen und auf die allgegenwärtige Angst, durch Vandalismus und Diebstahl auch noch die wertvollen Inneneinbauten zu verlieren.
Antje Schneider und ihrem Team gelingt mit ihrem Film eine sehr realistische Darstellung von Denkmalpflege an der Basis, die ohne große Hilfsmittel auskommen muss, aber nichtsdestotrotz begeistert. Die Aktivitäten am Kirchturm von Beia ziehen nach und nach das Interesse der neuen Dorfbewohner auf sich und bieten ihnen eine Möglichkeit, sich diesem ungenutzten Gebäude in ihrem Ort anzunähern und seine historische Bedeutung zu erkennen. Ihre akute Bedrohung und die unablässigen Bemühungen der „Notfall-Ambulanz für Denkmäler“ berührt auch die Zuschauer des Films. Antje Schneider zeigt eindringlich den täglichen Kampf und die Gefahr des Verlustes dieser großartigen Kulturlandschaft auf ganz unspektakuläre, direkte Weise.
Für diese Leistung ehrt das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz Frau Antje Schneider mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz 2022 in der Kategorie Medienpreis.
Selbstdarstellung
Seit über 20 Jahren bin ich als freiberufliche Fernsehautorin, also Filmemacherin, tätig. Da ich Berufsabschlüsse als Kinderkrankenschwester und Erziehungswissenschaftlerin habe, würde ich mich als Quereinsteigerin bezeichnen. Vor allem arbeite ich in den Bereichen Kultur und Gesellschaft, mitunter auch im Bereich Osteuropa. Hier – in Siebenbürgen – entstand auch der Film „Ambulanz für Denkmäler“.
Die Grundidee dieser Reportage stammt von unserer Dolmetscherin (Anna Wenzel), mit der wir seit über fünf Jahren eine Langzeit-Kino-Dokumentation über vergessene Roma-Jugendliche, die in einem rumänischen Bergdorf leben, drehen. Dieses Dorf liegt in der Nähe der Heimat der Brüder Eugen Vaida und Stefan Vaida, die die Hauptprotagonisten unserer ARTE RE:-Reportage „Ambulanz für Denkmäler“ sind. Anna Wenzel – die Dolmetscherin – und Stefan Vaida gingen bis zum Abitur gemeinsam zur Schule und kennen sich gut. Anna machte uns – das Kamerateam – mit Stefan und Eugen bekannt. Der Beginn dieses Films …
Es gibt zwei Prämissen die mir bezüglich meiner Arbeit sehr wichtig sind: Ein Film ist immer so gut wie seine Protagonisten – gib ihnen ihren gebührenden Raum, denn das Leben erzählt die spannendsten Geschichten. Und zum Zweiten: Ein Film ist immer Teamwork!
Biografie
Bildungsweg
- 1991–1997 Studium der Erziehungswissenschaften, Soziologie, Psychologie und Sozialvideografie an der TU-Dresden und der Ohio State University in Columbus/OH
- 1997–1998 Volontariat und Weiterbildung zur Fachredakteurin für Multimediale Anwendungen beim Klett WBS
- 2009 Masterclass Storytelling an der RTL-Journalistenschule in Köln
- 2012 Masterclass Texten an der RTL-Journalistenschule in Köln
- 2015 Weiterbildungsseminar online-Redaktion an der Journalistenschule Berlin
Beruf
- 1997–2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin Lehrstuhl Mikrosoziologie an der TU Dresden (Sozialvideografie – Projekte)
- seit 1999 freiberuflich als Autorin-TV, Regisseurin, Redakteurin und Honorardozentin für Medienpädagogik und –arbeit
Filmografie (ausgesuchte Arbeiten)
- Reportage und Dokumentation (Autorin, ARD, WDR, mdr ab 2019)
- Anna und die Stimmen im Kopf – Leben mit Schizophrenie, 30 min
- Eine Schule für Helden – das Feuerwehrinstitut in Heyrothsberge, 45 min
- Menschen hautnah: Kinder sind wie Licht – Jenny kämpft für Roma-Familien, 45 min
- Heute im Osten – Die Lavendelbauern von Star Zagora, 15 min
- Auf Leben und Tod – der Magdeburger Westfriedhof, 45 min – in Arbeit
Webserie (Autorin, ARD)
- Jenny und die Roma-Kinder – 10 Jahre zwischen Hoffnung und Tod, 5 × 25 min
- Bei den Sendereihen Glaubwürdig (Porträts mdr) und 3sat Ländermagazin aus Sachsen Anhalt (Buch und Regie – bis 2019 regelmäßig) gehöre ich zum festen Autorenstamm.