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Die Silberne Halbkugel in der Kategorie Vermittlung,

Arbeitsgemeinschaft historisches Ahrtal e. V.
2022 DNK Silberne Halbkugel Vermittlung Arbeitsgemeinschaft historisches Ahrtal e. V.

Gruppenfoto © Jörg Thies

Würdigung

Premiere! In der Kategorie Vermittlung würdigt das DNK Projekte der Jugend- und der Erwachsenenbildung im Bereich der Denkmalpflege. Dieser Preis wird 2022 zum ersten Mal vergeben und zeichnet einen Verein aus, der Denkmalvermittlung zur Selbsthilfe unter außergewöhnlichen Umständen und Bedingungen angestoßen hat und mit unglaublich großem Einsatz vieler betreibt.
Die Arbeitsgemeinschaft Historisches Ahrtal e. V. gründete sich unmittelbar nach dem katastrophalen Flutereignis des Jahres 2021. Sie ist ein Zusammenschluss von Handwerkerinnen, Architekten, Baubiologinnen, Baustoffhändlern, passionierten Autodidaktinnen, Eigentümern und Betroffenen. Eine durch das Flutereignis traumatisierte Bürgerschaft stellt eine besondere Herausforderung für Denkmalschutz und Denkmalpflege dar. Dies gilt auch für die Denkmalvermittlung. Dem begegnen die Gründer und Mitglieder des jungen Vereins Historisches Ahrtal e. V. mit Methoden der Denkmalbildung, die zur direkten Unterstützung der Betroffenen und zum Erhalt von Fachwerkhäusern im Ahrtal als herausragend und besonders wichtig einzustufen sind und mit diesem Preis geehrt werden.
Etwa 500 Fachwerkhäuser, darunter sowohl denkmalgeschützte als auch erhaltenswerte Gebäude, prägen das Landschaftsbild des Ahrtals, sind Teil der Identität der Bevölkerung und ein Aushängeschild der Tourismusregion. Im Sommer 2021 stellte sich recht schnell heraus, dass die zerstörten Fachwerkhäuser Vorteile gegenüber den Massivhäusern bezüglich ihrer Sanierungstauglichkeit haben. Die Materialien und Techniken, mit denen die historischen Bauwerke errichtet wurden, haben sich über Jahrhunderte entwickelt und bewährt, sind klimatauglich und im Prinzip durch Laien zu bearbeiten, leichter als Beton oder Stahl.
Aber das Wissen um diese Baustoffe und deren Handhabung ging in den letzten 70 Jahren verloren. Es gibt nicht mehr viele Handwerkerinnen, die sich mit den historischen Handwerksfähigkeiten und -techniken auskennen. Spontan taten sich in der Katastrophe Spezialisten aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen, die in ihrem Berufsleben die altbewährten Baustoffe und Handhabungen wieder erlernt hatten. Sie sehen es als ihre Mission, diesen Erfahrungsschatz weiterzugeben. Dafür wurde ein schnelles Soforthilfeprogramm der Handwerksvermittlung aufgestellt. Kostenlose Kurse und Seminare zur Fachwerksanierung in verschiedenen Ortschaften, Vorträge, Online-Tutorials, Broschüren, die Fachvokabular, Grundkenntnisse zu Statik, Dämmung und Feuchtigkeitsabdichtung vermitteln.
Es bildete sich ein beachtliches, kooperierendes Netzwerk von Fachkundigen, die aus nah und fern bis heute den Wiederaufbau der historischen Bauten tatkräftig unterstützen: Wandergesellen, Baustoffhändlerinnen, Zimmereibetriebe, Architektur- und Ingenieurbüros, Lehmbauer, Hochschulen, die Denkmalbehörden, Architects for Future, die Jugendbauhütten, die Dachzeltnomaden, die Elektroseelsorge und viele andere.
Die Restaurierung der durch die Flut zerstörten Gebäude ist das direkte Anliegen des Vereins. Aber die Erhaltung und Instandsetzung historischer Bausubstanz der Fachwerkhäuser in der Region des Ahrtals ist das langfristige Ziel der Gemeinschaft, das auch jenseits der Folgen der Flutkatastrophe verfolgt werden soll. Der Verein will aktiv dazu beitragen, dem gesellschaftlich notwendigen Umdenken mit Alternativen zu Abriss und Neubau vermittelnd zu begegnen und möglichst viele in ein eigenes Handeln zu bringen oder neu dafür zu gewinnen.
Für dieses mutige, schnelle, kompetente, fantasievolle, professionelle, zugewandte, improvisationstalentierte, menschliche und tatkräftige Engagement der Denkmalvermittlung zur Selbsthilfe wird der Verein Arbeitsgemeinschaft historisches Ahrtal e. V. mit der Silbernen Halbkugel des Deutschen Preises für Denkmalschutz 2022 in der Kategorie Vermittlung ausgezeichnet.

Selbstdarstellung

Der Verein Arbeitsgemeinschaft Historisches Ahrtal e. V. setzt sich für den Erhalt historischer Gebäude (vor allem Fachwerkhäusern) ein, die von der Flut im Ahrtal beschädigt wurden. Sie möchten die einzigartige Architektur und den Charme der Orte erhalten, um die Region wieder lebenswert zu machen. Damit verbunden möchten sie den Bewohnenden ihren Wohnraum zurückgeben, der fachgerecht und nachhaltig saniert wurde.
Die Vernetzung und Betreuung von Hilfs- und Fachkräften, sowie die fachgerechte Beratung sehen sie – neben den Mitmachkursen – als eine ihrer Hauptaufgaben.
Sie unterstützen die Eigentümer und Eigentümerinnen durch kostenlose Beratung, sie generieren Materialspenden und vermitteln Fachhandwerkende für den fachgerechten und nachhaltigen Wiederaufbau. Sie bieten kostenlose Onlinesprechstunden im 14-tägigen Rhythmus und Mitmachkurse an, die den Betroffenen helfen, ihre Häuser in Eigenleistung zu sanieren, wo es möglich ist. Sie vermitteln den Betroffenen Hilfsangebote anderer Organisationen wie z. B. der Jugendbauhütten (FSJ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz) oder Architects for Future.
Die „Ahrbauhelden“ fanden sich nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 als lose Gruppe von Fachkundigen im Umgang mit ökologischen Baustoffen zusammen. Sie lieferten gute Beratung und Unterstützung bei der Planung und Umsetzung des Wiederaufbaus. Der Verein Arbeitsgruppe Historisches Ahrtal e. V. ist aus den Ahrbauhelden Anfang 2022 entstanden und wurde größtenteils von dort Wohnenden und Betroffenen gegründet.
Er hilft bei der Einschätzung der Gebäudestatik, unterstützt bei der Planung und Beurteilung von Handwerksarbeiten, begleitet bei der Konzepterstellung für Häuser mit ungewisser Nutzung und Zukunft und unterstützt bei der Kommunikation mit Versicherungen und Behörden.
Viele Eigentümer sind nicht versichert und stehen somit vor immensen Kosten. Damit beschädigte Häuser nicht weiter verfallen oder gar abgerissen werden, bietet der Verein die Möglichkeit sich fortzubilden. In Mitmachkursen lernen die Interessierten, leichte Arbeiten an ihren Häusern (Gefache ausmauern, Wände verputzen oder eine Innendämmung anbringen) selbst auszuführen oder auch mit den Leihmaschinen des Vereins umzugehen. So können sie durch Eigenleistung erhebliche Kosten beim Wiederaufbau einsparen und der Prozess geht auch schneller voran.
Der Verein organisierte Feuchtigkeitsmessungen in über 120 Gebäuden zur Vermeidung von Schimmelpilz und/oder Fäulnis und hat die Bewohner oder Eigentümer hinsichtlich der erforderlichen Schritte beraten.
Im März 2022 haben sich die „GesellenHelfen“ – eine Gruppe von Wandergesellen, die beim Wiederaufbau helfen – als Projektgruppe dem Verein angeschlossen. Die ehrenamtlich arbeitenden Gesellen verfügen über eigene Werkzeuge und Baumaterialien, die durch Spenden angeschafft werden. Der Verein wiederum unterstützt die Gesellen bei der Buchhaltung, Finanzverwaltung und Spendenakquirierung und übernimmt ihre Versicherung.