Medienpreis,
Christine Siefer © Paul-Philipp Braun
Würdigung
Erfahrene Fachkräfte waren schon vor rund hundertzwanzig Jahren wertvoll: Als der Unternehmer Louis Mannstaedt Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sein Eisenwalzwerk aus Kalk (heute zu Köln gehörend) in das etwas rheinaufwärts befindliche Troisdorf verlegte, hatte er großes Interesse daran, dass auch seine Mitarbeitenden dorthin zogen und attraktive Lebensbedingungen vorfanden. So entstanden ab 1912 in Troisdorf nach dem Gedanken der Gartenstadtbewegung Siedlungen für die Beschäftigten der Mannstaedt-Werke, darunter die „Rote Kolonie“.
Inzwischen steht die Anlage unter Denkmalschutz. Doch die Geschichte und vor allem die Geschichten, die sich um diesen Ort ranken, drohten langsam in Vergessenheit zu geraten. Dem setzte die freie Journalistin Christine Siefer etwas entgegen, das sie als „Herzensprojekt“ bezeichnet: Seit 2020 selbst begeisterte Bewohnerin der „Roten Kolonie“, mit familiären Wurzeln in Kalk, Troisdorf und Umgebung sowie bei Mannstaedt, begann sie, die Vergangenheit ihres neuen Wohnortes zu erforschen. Sie trug alte Zeitzeugnisse und neue Interviews zusammen, Fotos, Audio- und Videoaufnahmen, darunter auch Vorher-Nachher-Vergleiche und Luftbilder. Mehr als zwei Jahre dauerten die Recherche und die Aufbereitung der so gewonnenen Inhalte für die Website rote-kolonie.de, die im November 2023 online ging.
Dabei zeigte sich, wie viel aus der Historie und den persönlichen Lebensgeschichten ehemaliger und aktueller Bewohnerinnen und Bewohner für die Zukunft gelernt werden kann: Wie passen Tradition und Neuanfang zusammen? Wie entsteht eine Gemeinschaft? Wie viel Denkmal ist schützenswert ohne die notwendige Erneuerung zu blockieren? Über die Jahrzehnte hinweg waren die Kolonie und ihre Bewohnerinnen und Bewohner ein Spiegel der gesamten Gesellschaft: Menschen, die als Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nach Deutschland gekommen waren, fanden hier eine neue Heimat, aus Werkswohnungen wurden Eigenheime, und der Traum vom Haus, das in der Stadt und zugleich im Grünen liegt, lockt noch heute Familien hierher – wie die von Christine Siefer.
Die von Christine Siefer betriebene Website ist lebendig und abwechslungsreich gestaltet und mit spannenden Inhalten gefüllt, die zum Stöbern animieren und dazu, immer Neues zu entdecken. Zugleich entstand mit ihr eine Plattform zum Kennenlernen, zur gegenseitigen Information und zum Austausch über die Belange der Siedlung und ihrer Bewohnenden, aber auch zu Fragen des Denkmalschutzes und des Erhalts und der Erneuerung der Bauten. So zeigt das Projekt nicht nur anschaulich, welche Wechselwirkungen es zwischen der gebauten, in diesem Falle zudem denkmalgeschützten Umwelt und deren Bewohnerinnen und Bewohnern und Nutzerinnen und Nutzern geben kann, sondern trägt auch zum Zusammenhalt der „Kolonisten“ bei.
Darüber hinaus konnten sich im Rahmen einer Ausstellung Interessierte auch auf klassischem Weg über Geschichte und Gegenwart der „Roten Kolonie“ austauschen. So wurden zusätzliche Zeitzeugenberichte an Christine Siefer herangetragen, wodurch die Website weiter wachsen und auch künftig die Geschichte dieses Ortes widerspiegeln kann.
Christine Siefer erhält den Deutschen Preis für Denkmalschutz für die von ihr initiierte, mit Inhalt und Leben versehene und betriebene Website, die ein vorbildliches Beispiel ist für die zeitgemäße Darstellung, Lebendigmachung und Vermittlung eines Denkmals über das Internet.
Selbstdarstellung
Christine Siefer wurde 1989 in Düsseldorf geboren. Bereits während der Schulzeit sammelte sie erste journalistische Erfahrungen in der Siegburger Regionalredaktion des Kölner Stadt-Anzeigers und wurde mit 18 Jahren freie Mitarbeiterin. Nach dem Abitur studierte sie Kulturjournalismus an der Hochschule Macromedia in Köln. Ihr Praxissemester im ZDF-Landesstudio weckte ihre Begeisterung für das Erzählen in bewegten Bildern. Als freie Mitarbeiterin und Videojournalistin im WDR-Lokalstudio Bonn stand sie auch selbst hinter der Kamera. Berufsbegleitend absolvierte sie den Masterstudiengang Technik- und Innovationskommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Ihre Begeisterung für multimediales Arbeiten und Gestalten gibt sie inzwischen als Lehrbeauftragte weiter. Im Jahr 2020 hatte sie die Idee, die Geschichten der denkmalgeschützten ehemaligen Arbeitersiedlung „Rote Kolonie“ in Troisdorf multimedial aufzubereiten. Über drei Jahre dauerte die Suche nach Fördermitteln, die Recherche und die Umsetzung. Ein Herzensprojekt, das ihr Interesse an lokaler Geschichte in Verbindung mit sozialen Themen neu geweckt hat. Dieses Themenfeld verfolgt sie auch als freie Journalistin u. a. für den General-Anzeiger Bonn und den Evangelischen Pressedienst.
Entdecken Sie die Webseite unter: www.rote-kolonie.de