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Die Silberne Halbkugel,

Gemeinde Thüngersheim und der Verein WeinKulturGaden e. V.
2022 DNK Silberne Halbkugel Gemeinde Thüngersheim und der Verein WeinKulturGaden e. V.

Helferteam und Vorstand – Gemeinde Thüngersheim und Verein WeinKulturGaden e. V.
© Michael Roth

Würdigung

Im unterfränkischen Weinort Thüngersheim am Main haben Bürger und Gemeinde in vorbildlicher Weise Verantwortung übernommen für Baudenkmale, aber auch für ihre eigenen Bedürfnisse nach Kultur. Es begann mit einer Herausforderung, der viele ländliche Gemeinden in ihren Ortskernen gegenüberstehen: für leerstehende und verfallende landwirtschaftliche Nebengebäude von Denkmalwert und ortsbildprägender Rolle eine Nutzung zu suchen und für die Instandsetzung Bauherrschaft und Finanzierung zu finden.
In Thüngersheim waren es bau- und ortshistorisch überaus wertvolle Gaden, also Bergeräume für landwirtschaftliche Güter, die um den Kirchhof angeordnet sind. Gadenkirchenburgen sind typisch für diesen Teil Frankens – in die kleinen unterkellerten Gadenhäuser verschiedener Eigentümer konnten für Notfälle Vorräte eingelagert werden.
Seit langen Jahren standen die Thüngersheimer Gaden mit ihren bedeutenden Fachwerkkonstruktionen schon leer, als sich Bürger und Gemeinde etwa 2008 entschlossen, dieses seit jeher gemeinschaftliche Kulturdenkmal instand zu setzen und zu nutzen. Dazu ging die Gemeinde in Vorleistung und kaufte die Gaden von verschiedenen Eigentümern auf. So konnte von 2010–2015 auf der Grundlage qualitätvoller Planungen und mit denkmalpflegerischer Sensibilität ein örtliches Kulturzentrum entstehen.
Seit 2014 wird dies nun vom Verein WeinKulturGaden e. V. ehrenamtlich betrieben. Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Feste und andere Veranstaltungen finden seither in den Gaden statt.
Doch nicht nur das: der Verein kümmert sich auch um die Denkmalpflege in Thüngersheim. Vereinsmitglieder – manche davon selbst Denkmaleigentümer – haben die Geschichte der denkmalgeschützten Häuser im Ortskern erforscht und einen Rundgang zu 24 Gebäuden entwickelt. Auf der professionell gestalteten Website wird er geteilt. Denkmaleigentümer bieten an, anderen auf Augenhöhe Erfahrungen weiter zu geben.
Preiswürdig ist dieses Projekt in mehrfacher Hinsicht: weil eine Gemeinde vor einem verfallenden Denkmal in der Ortsmitte nicht die Augen verschloss, sondern aktiv Verantwortung übernahm. Weil Bürger nicht auf „die Politik“ warten, sondern sich ein attraktives kulturelles Leben selbst organisieren. Weil die Thüngersheimer Weinkulturgaden zeigen, dass die Aneignung sowie die Vermittlung des kulturellen Erbes einen Ort, sowohl seine Einwohnerschaft als auch Gäste bereichern und stärken.
Für ihr eigeninitiatives und verdienstvolles Engagement wird die Gemeinde Thüngersheim mit dem Verein WeinKulturGaden e. V. mit der Silbernen Halbkugel ausgezeichnet.

Selbstdarstellung

Die Gaden sind Zeugen einer bewegten Vergangenheit. Dank gut erhaltener Holzbalken lässt sich die Zeit ihrer Erbauung heute genau bestimmen. Entstanden sind sie im Jahr 1429/30. Der Ausdruck Gaden leitet sich von dem althochdeutschen ‚gadam‘ oder ‚gadum‘ ab. So nannte man ein Haus, das nur einen einzigen Raum hatte. Die Gaden waren Teil einer Verteidigungsanlage mit der Kirche im Zentrum. Hier lagerten die lebenswichtigen Besitztümer der Gemeinde. Das Besitzrecht an einem Gaden war meist mit einem Hof verbunden. Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges lässt sich eine Veränderung der Architektur ablesen. Die bis dahin geschlossene Anlage wurde aufgebrochen und der wehrhafte Charakter ging verloren. Die erhalten gebliebenen Gaden in der Kirchgasse sind nur ein Teil der ursprünglichen Anlage.
Die Anlage befindet sich in der Kirchgasse mitten im geschichtsträchtigen Altort von Thüngersheim. Sie unterteilt sich in sechs Gaden, wovon jeder einem eigenen Thema gewidmet ist. Das große Tor der KulturGaden lädt die Besucher ein, von hier aus den Wein- und den KunstGaden zu erkunden. Ein Wandband aus Metall führt die Besucher durch das Innere der Räume, die wiederum über Treppen und Stege untereinander verbunden sind. Ausschließlich der DenkmalGaden und der EnergieGaden können durch separate Eingänge betreten werden.
Die kulturelle und künstlerische Inwertsetzung der WeinKulturGaden Thüngersheim obliegt dem gleichnamigen 2014 gegründeten Verein mit rund 140 Mitgliedern. Seine Aufgaben umfassen die Förderung von Kunst und Kultur, die Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege und die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger Zwecke. Die Satzungszwecke werden verwirklicht durch die organisatorische Betreuung, Pflege und Erläuterung der historischen Kirchgaden, durch Ausstellungen zu den Themenkreisen Kunst und Weinkultur, durch vielfältige kulturelle Veranstaltungen, durch Informationen und Anleitungen zur Erhaltung vorhandener Denkmäler im Thüngersheimer Altort sowie durch die Einbindung breiter Teile der Bevölkerung in die Aktivitäten des Vereins.
Der WeinKulturGaden Thüngersheim e. V. erarbeitet Konzepte für das Veranstaltungsprogramm der Gaden. Das Ziel des Vereins ist es, die geschichtsträchtigen Räume zu einem lebendigen Ort in der Mitte von Thüngersheim zu machen. Der Verein ist Ansprechpartner für alle, die eine Veranstaltung in den Gaden planen.
Ein weiteres vordringliches Anliegen besteht darin, die Geschichte und die Geschichten der Häuser im Altort zu vermitteln. Bei Orts- und Hausführungen am Tag der Städtebauförderung oder am Tag des Offenen Denkmals werden Führungen auf den historischen Pfaden des Altorts angeboten. Mit Broschüren zum historischen Ortsrundgang, zu den historischen Bildstöcken rund um Thüngersheim und zu den vielfältigen Steinmetzzeichen an den historischen Gebäuden besitzen die WeinKulturGaden inzwischen auch Strahlkraft für den Thüngersheimer Altort und die gewachsene Kulturlandschaft des Weinbauortes.
Zudem ist es ein wichtiges Ziel, das Erscheinungsbild des Altortes als Ganzes zu erhalten bzw. zu verbessern. Bei diversen Veranstaltungen informiert der Verein über die Besonderheiten, die die Sanierung eines historischen Gebäudes mit sich bringt, sowohl in baulicher als auch in finanzieller, nicht zuletzt steuerlicher Hinsicht. Da die die Mehrzahl der Bereichsmitglieder selbst Denkmalbesitzer ist, geschieht dies in der Regel aus persönlicher Erfahrung.