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Die Silberne Halbkugel,

Herrmann Wessling mit dem „Forum Glas e. V.“
2022 DNK Silberne Halbkugel Herrmann Wessling mit dem „Forum Glas e. V.“

Herrmann Wessling vor den Grundmauern der ehemaligen Glashütte Klein Süntel
© Jens Rathmann

Würdigung

Die eigene berufliche Begeisterung und Profession weiterzutragen und auch im Rentenalter ehrenamtlich aktiv dazu beizutragen, kulturhistorisches Erbe in hoher Qualität weiter zu vermitteln, das gelingt nicht jedem. Für Herrmann Wessling war es keine Frage des „ob“, sondern des „wie“. Ehemals Mitglied der Geschäftsleitung einer modernen Glashütte gründete er nach seiner Pensionierung 2006 den Verein „Forum Glas e. V.“ als Träger verschiedenster Aktivitäten, die das Weserbergland als historische Region der Glasherstellung hervorheben und die 400-jährige Tradition der Glasherstellung im Weserbergland vermitteln sollen. Zugleich zählen die Vernetzung und der wissenschaftliche Austausch mit anderen Akteuren auf diesem Gebiet zu einem der Ziele des Vereins.
Unvermutet kam der Verein 2011 mit einem archäologischen Denkmal in Kontakt. Bei Bauarbeiten hinter dem Feuerwehrhaus von Klein Süntel stieß der Baggerfahrer auf einen Hohlraum, der sich als Beschickungsstollen einer abgegangenen Glashütte herausstellte. Historisch seit Beginn des 17. Jahrhunderts überliefert, waren Lage und Aussehen der Produktionsstätte jedoch bis dahin unbekannt. Nun also das erste unmittelbare Zeugnis, der archäologische Beleg für die Glasherstellung in Klein Süntel, heute ein Ortsteil von Bad Münder!
Ein Denkmal der Technikgeschichte dieser Art und Bedeutung erforderte weitere Untersuchungen, um Lage, Gestalt, Funktion und Alter der angeschnittenen Strukturen herauszuarbeiten und die Befunde zu sichern. Zu groß war die Gefahr des Verlustes. Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege legte die Verantwortung in die Hände von Herrmann Wessling und seinen Verein. Dem hohen persönlichen Einsatz Wesslings ist es zu verdanken, dass die archäologische Untersuchung der Glashütte Klein Süntel zu einer Erfolgsgeschichte wurde. Der geborene Organisator, Planer, Netzwerker arbeitete als Vereinsvorsitzender eng mit den Denkmalbehörden und ausgewiesenen Spezialisten für Glasarchäologie zusammen. Er verfasste mit ihnen fachliche Konzepte, beantragte erfolgreich Fördermittel für mehrere Ausgrabungskampagnen, begeisterte Helfer und Spezialisten für die ehrenamtliche Mitarbeit bei den archäologischen Untersuchungen und baute eine beispielhafte Öffentlichkeitsarbeit rund um die Anlage von Klein Süntel auf. Sein Verein mit den ebenso begeisterten Mitgliedern zog mit. Regelmäßige Vorträge und Grabungsführungen, eine intensive Pressearbeit, die Durchführung mehrerer glasarchäologischer Tagungen sowie die Erstellung von Informationsschriften und die Unterstützung des Druckes von Fachpublikationen gehören dazu. Heute stellt diese frühe Industrieanlage aus dem 17. Jahrhundert eine der wichtigsten Attraktionen in Klein Süntel dar.
Für sein langjähriges und verdienstvolles Engagement beim archäologischen Projekt „Glashütte am Kleinen Süntel“ wird Herrmann Wessling mit dem Verein „Forum Glas e. V.“ mit der Silbernen Halbkugel ausgezeichnet.

Selbstdarstellung

Das „Forum Glas e. V. Verein zur Förderung der Glasgeschichte und der Glasgestaltung in der Deister-Süntel-Region“ – so der offizielle Name – ist am 28. März 2006 gegründet worden. Ziel war und ist es, die 400-jährige Tradition der Glasherstellung in der Region den Menschen bewusst und im Stadtbild sichtbar zu machen. Das ist im Laufe der Jahre zum Beispiel durch einen Glasstelenpfad und einen Glasskulpturenweg gelungen, was das kulturelle Selbstverständnis der Region stärkt, da ihre Geschichte sowie die Kultur der Glasproduktion erforscht und sichtbar gemacht wird.
So wurden ab September 2010 an sieben Stellen, an denen es früher oder jetzt noch Glashütten gab bzw. gibt, Glasstelen aufgestellt, die in Text und historischen Fotos Einwohnerschaft und Gäste täglich informieren, was Glasmacher dort über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte produziert haben. Ein Glasskulpturenweg von der Altstadt bis zum Kurpark Bad Münder macht durch Objekte zeitgenössischer Glaskunst den Werkstoff Glas im Stadtbild sichtbar.
Mit ein- und mehrtägigen Exkursionen bietet das Forum Glas die Möglichkeit, attraktive Ziele der Glasgeschichte und der Glaskunst z. B. in Museen oder Ausstellungen in der Region und weit darüber hinaus zu besuchen.
2021 hat der Verein Forum Glas in Bad Münder 70 historische Gläser aus der Gebrauchsglas-Sammlung Albert Schwiezer erworben. Die Gebrauchsgläser stammen aus Glashütten der Weserbergland-Region und künden von der 400-jährigen Tradition der Glasherstellung nicht nur in Bad Münder: Die ersten Zeugnisse der Glasproduktion in der Region reichen über 1000 Jahre zurück.
Aber auch das Wissen um die jüngere Geschichte der Glasproduktion, die sich in den vergangenen Jahrzehnten durch technische Innovationen und der Weiterentwicklung von der halbautomatischen zur vollautomatischen Produktion stark verändert hat, darf nicht verloren gehen. In verschiedenen, dauerhaften Ausstellungen ist die Glaskunst zu erleben.
Seit November 2011 gibt es auch die Möglichkeit, aktiv mit dem Werkstoff Glas zu arbeiten. Das Forum Glas in Bad Münder bietet Glasfusing-Kurse an, die Grundkenntnisse dieser Kreativtechnik vermitteln, aber auch Fortgeschrittenen Anregung und Anleitung bieten.