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Journalistenpreis,

Nils Werner und Alexander Roth
2020 DNK Journalistenpreis Nils Werner und Alexander Roth

Nils Werner (links) © MDR/Claudia Hempel
Alexander Roth (rechts) © privat

Würdigung

Welche Farbe hat die Stadt? In Hamburg auf der Straße gibt es für die Menschen nur zwei Antworten: Rot und Weiß. Dem Erbe der Roten Stadt Hamburg, der Stadt an Elbe und Alster und ihren Bauten aus Backstein, widmet sich Uli Patzwahls faszinierendes Stück über den Umgang mit einer ganz besonderen Vergangenheit, die zugleich Gegenwart ist und Zukunft sein soll.

Wir alle kennen ihn: Backstein. Aber kennen wir ihn wirklich? Wo kommt er her, wie wird er gemacht? Welche baustadtkulturelle Bedeutung hat er über die Jahrhunderte gehabt? Und wie ihn retten, nutzen, immer wieder neu entdecken, wo er so oft bröckelt, bedroht und vergessen ist?

Hamburg ist rot. Jedenfalls für Joachim Schreiber, den Hamburger Backsteinberater. Mit ihm und vielen anderen nimmt uns Uli Patzwahl mit auf eine ungewöhnliche Reise durch die Stadt und ihre Bauten, und so auch durch die Zeiten. Er lässt den großen Architekten und Stadtplaner Fritz Schumacher wieder aufleben, und Fritz Högel, Erbauer etwa des roten Chilehauses. Ikone und lebendige Gegenwart zugleich. Bewegt und mit nicht nachlassender Neugier folgen wir dem Autor und mit ihm der Spur der Steine.

Wer über Backsteinbauten spricht, spricht auch über Denkmalschutz. Denn auch beim Backstein kann vieles richtig, aber auch vieles falsch gemacht werden. Und es muss Menschen geben, die daran erinnern, was man mit ihm machen kann, die beraten, intervenieren, protestieren. Die sich für den Erhalt des Roten Erbes einsetzen. Auch diesen begegnen wir und begleiten sie bei ihrem nimmermüden Einsatz für ihre Stadt.

Uli Patzwahl arbeitet dabei als Filmemacher und Erzähler vorbildlich: anschaulich, informativ, immer wieder neue Zugänge zum Thema suchend. Die Zeit beim Betrachten des Films vergeht wie im Fluge. Und: Wer mit ihm und seinem Film reist, geht verändert daraus hervor. Mit mehr Wissen und einem Herz für die Sache. Was können wir Größeres erwarten?

Der Journalistenpreis des DNK geht in diesem Jahr an den Autor Uli Patzwahl. Wir gratulieren!

Selbstdarstellung

Ein paar Bemerkungen von Nils Werner zur MDR-Zeitreise-Sendung über die Dresdner Äußere Neustadt: Seit 1992 kenne ich die Dresdner Neustadt. Als Student und Untermieter in einer der stark vernachlässigten Altbauwohnungen des Viertels (Ofenheizung, Wohnung ohne eigenen Wasseranschluss) bin ich das erste Mal in Tuchfühlung zu diesem Viertel gegangen, habe die Anfänge des neuen Szene-Lebens miterlebt und gesehen wie sich bröckelnde graue Fassaden langsam wandeln.

Damals war ich auch das erste Mal Gast der „Bunten Republik Neustadt“, jenes bunt-fröhlichen Festes, in dem die Bewohner dieses Stadtteils auf sich und das reichhaltige Soziotop Neustadt deutschlandweit aufmerksam machten. Dieser Ursprung des Festivals, erdacht in den Reihen jener sagenumwobenen „IG Äußere Neustadt“, die sich im Mai 1989 mit dem Ziel gegründet hat, das Viertel vor dem drohenden Abriss zu bewahren, wurde mir allerdings erst Jahrzehnte später bewusst.

Inzwischen habe ich mit Freunden, in Baugemeinschaft, selbst eines dieser alten Häuser im Viertel um- und ausgebaut und kann nun ermessen, mit welch ungeheurer Energie Bewohner und Besitzer einst dem Verfall ihrer Häuser und damit dem Staat trotzten.
Viele kleine Puzzlesteine und Dutzende engagierte Menschen, vom Soziologie-Studenten bis zur promovierten Architektin, haben ab den 1980er Jahren dazu beigetragen, dass viele der schon für Abriss und Sprengung vorgesehenen Häuser erhalten blieben. Und dass die Interessengemeinschaft ab 1990 eine der wichtigsten neuen politischen Kräfte in Dresden wurde.

Ehrenamtliche Denkmalschützer, Stadtplanung und Stadtverwaltung, Mieter und Vermieter, Gewerbetreibende, die uralten Bewohner des Viertels ebenso wie die sogenannten „Schwarzmieter“ – sie alle haben in der Dekade der 1990er Jahre plötzlich „Steine ins Rollen“ gebracht und damit eine bestandsgerechte Sanierung des Viertels. Damals wurden nicht nur mustergültig Häuser instandgesetzt, sondern für nächste Generationen auch ein Wohnumfeld gestaltet, in dem historische Bausubstanz und urbanes, hochfrequentes Leben eine wunderbare Synergie eingehen.

So ist das Viertel nicht ohne Grund seit nunmehr 30 Jahren auch der beliebteste Anlaufpunkt für Neudresdner – aller Nationen, Nationalitäten und Migrationshintergründe – denn in den Mauern steckt eine lange Geschichte der gegenseitigen Toleranz.
Ob diese Werte auch zukünftig weitergetragen werden, ob die soziale Durchmischung Kennzeichnen und Aushängeschild dieses Viertels ist, bleibt abzuwarten. Verdient hätte es dieses Viertel, das sich vom „Aschenputtel“ der 1980er Jahre zum nun weithin beachteten Vorzeige-Viertel des Ostens entwickelt hat.

Und als letzten Gedanken: Sehr früh schon hat diese Entwicklung ein mustergültiger Einsatz der Partnerstadt Hamburg befördert. Der hanseatische Senat hat mit Überreichung eines Bittbriefs der IG Äußere Neustadt bereits 1990 einen Sonderetat zur Rettung der Dresdner Neustadt verabschiedet und ein Team von erfahrenen Sanierungs-Experten entsandt. Noch heute profitiert eine im Viertel ansässige Stiftung „Äußere Neustadt“ von diesem frühen Engagement. Für die MDR-Sendung konnte ich auch auf das durch dieses Geld ermöglichte Stadtteilarchiv mit allen Unterlagen der IG „Äußere Neustadt“ zurückgreifen.

Biografien

Nils Werner
  • 1971 in Mühlhausen (Thüringen) geboren
  • 1990–1998 Studium Magister Germanistik/Kunstgeschichte an der Gesamthochschule Kassel und der Technischen Universität Dresden (1992–1994 unterbrochen durch Ableistung des Zivildienst) – Abschluss M.A.
  • seit 1997 Konzeption und Moderation von Filmprogrammen für Ausstellungen und Filmfestivals (u. a. Motorenhalle Dresden – Projektzentrum für zeitgenössische Kunst)
  • seit 2001 selbständige journalistische Tätigkeit, vorwiegend im Bereich Fernsehen (MDR); seit 2008 mit Schwerpunkt Geschichte und Dokumentationen
  • seit 2003 außerdem tätig als freier Filmemacher, Autor und Regisseur; Produktion von Kurz- und Langdokumentationen (div. Festivalteilnahmen)
  • 2007 Konzeption und künstlerische Leitung des transdisziplinären Medienfestivals „Die Elektrifizierung der Gehirne“ in der Motorenhalle Dresden (Kulturstiftung des Bundes)
  • 2010 Kurator der Filmreihe des Ausstellungsprojekts „Ohne uns! – Kunst und alternative Kultur in Dresden vor und nach 1989“ (Kulturstiftung des Bundes)
Alexander Roth
  • geboren 1975 in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz)
  • Studium Mittlere/Neuere Geschichte und Germanistik in Leipzig
  • Freie Mitarbeit beim MDR- und SWR-Hörfunk
  • Fernsehreporter und Videojournalist für das MDRMagazin „Exakt“
  • seit 2013 Redakteur und Chef vom Dienst zunächst in der Osteuropa-, dann in der Geschichtsredaktion
  • verantwortet MDR-, ARD- und ARTE-Dokus („1945 – Unsere Städte“, „Putins völkische Fans“)
  • Online-Angebote der Redaktion Geschichte und Dokumentationen – und das TVMagazin „MDR Zeitreise“