Medienpreis,
Sylvia Systermans © privat
Würdigung
Der Hörfunkbeitrag von Sylvia Systermans unter dem Titel „Abriss deutscher Kulturgeschichte? – Zur Zukunft der Rundfunksäle“, gesendet im Deutschlandfunk, beschreibt den „Lebenszyklus“ deutscher Rundfunksäle, von denen etlichen das Schicksal droht, entweder abgerissen oder nicht mehr genutzt zu werden. Es sind nach dem Krieg erbaute Gebäude, die für den Bildungsauftrag, so wie er damals empfunden wurde, standen. Überwiegend Funktionsgebäude, etliche aber mit bemerkenswerter Architektur. Die Gebäude aus den 1950er und 1960er Jahren müssten umfangreich saniert werden. Eine große Aufgabe, aber wer fühlt sich dafür verantwortlich?
Aus der Vorkriegszeit stammt der größte Rundfunksaal – der heutige große Sendesaal des rbb. Noch in der Weimarer Republik wurde aus dem der Kunst zugedachten Saal eine nationalsozialistische Propagandabühne gebaut. Der von Hans Poelzig im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Saal hat Viele gesehen. Leonard Bernstein, die Berliner Philharmoniker, Norah Jones oder Gianna Nannini. Sie haben den von Goebbels kontaminierten Ort gründlich entgiftet. Alle haben die Zuhörer mit Musik, wie es Sylvia Systermans beschreibt, sanft umhüllt. Auch an den lauten Stellen.
Nicht alle Rundfunksäle sind heute Denkmale, aber alle sind teuer und nicht alle passen ins heutige Verständnis des Bildungsauftrags des Rundfunks. Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke fragt im Beitrag, wie man diesen kulturellen Reichtum absichern könne, „zumal der öffentlich-rechtliche Rundfunk keinen Auftrag des Gesetzgebers hat, Orchester, Chöre und Big Bands zu unterhalten“. Da drängt sich die Frage geradezu auf: wenn schon für das Programm weniger Geld da ist, wieso soll man sich dann Rundfunksäle halten? Manche Verantwortliche, denen die Säle lästig geworden sind, schaffen sie wie der Bayerische Rundfunk (BR) ab. Andere wie der Deutschlandfunk (DLF) in Köln nehmen die Verantwortung an und zeigen, dass das in der Vergangenheit Gebaute zeitgemäßer Nutzung nicht im Wege steht.
Dass aber gerade der Denkmalschutz, wenn nicht zum Retter, so doch zum Verbündeten von Kunstformen wird, die sonst mangels geeigneter Foren in ihrer Existenz bedroht sind, ist eine Seite, die beim Denkmalschutz eher selten wahrgenommen wird.
Wieso etwas Denkmal ist, das schon durch seine schiere Existenz Zeugnis über eine vergangene Zeit ablegt, die für die Hochkultur im Rundfunk eine gute war, wird eindrucksvoll belegt. Das Rundfunk kein Museum sein kann und will, liegt auf der Hand. Was aber, wenn er Museales schafft? Auch diese Frage leuchtet der beeindruckende Beitrag aus. Das alles mit allem zusammenhängt und dabei auch der Denkmalschutz eine wichtige Rolle hat, zeigt der unaufgeregte Beitrag von Sylvia Systermans. Dafür erhält sie den Medienpreis des Deutschen Preises für Denkmalschutz 2024.
Selbstdarstellung
Sylvia Systermans studierte historische Musikwissenschaft, Soziologie und Ethnologie in Köln. Seither arbeitet sie als Musikjournalistin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, insbesondere für Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und SWR, außerdem für klassische Musikfestivals, Orchester und Konzerthäuser.
Fürs Radio schreiben heißt fürs Hören schreiben. Man kann Räume, in denen Musik gespielt wird, im Radio nicht sehen. Aber man hört, wie sie den Klang von Musik formen, je nachdem ob sie von den harten Steinwänden einer gotischen Kathedrale widerhallt oder von den schalldämpfenden Holztafeln eines Rundfunkstudios. Als Musikjournalistin macht Frau Systermans physische Räume für Hörerinnen und Hörer im Radio erlebbar: als Echokammern von Klang, Zeugnissen unserer Geschichte, als Begegnungsstätten und faszinierende Erlebnisorte. In Beiträgen für die Benefizkonzertreihe „Grundton D“ von Deutschlandfunk und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnte sie beispielsweise die bewegte Geschichte und Architektur von Denkmalen wie dem Alten Hallenbad Friedberg oder der Basilika St. Maria im Kapitol in Köln vermitteln. Ebenso war dies eine Gelegenheit mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich mit privatem Engagement und als Vertreter von Institutionen des Denkmalschutzes dafür einsetzen, diese Bauten mit Herzblut und Visionen für die Anforderungen und Bedürfnisse einer Stadtgesellschaft denkmalgerecht zu restaurieren und erhalten. Auch die soziale Funktion von Räumen bewegt und berührt sie als Musikjournalistin, wenn sie Mitsingkonzerte in Kneipen und Stadthallen besucht, den Musikkindergarten der Daniel Barenboim-Stiftung oder das „Zukunftslabor“ der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, welches seinen Proben- und Konzertsaal in einer Gesamtschule in einem sozialen Brennpunkt Bremens hat und seitdem mit Schulkindern und Bewohnerinnen und Bewohnern des Viertels in einem Zirkuszelt jährlich eine Stadtteil-Oper mit hunderten Mitwirkenden auf die Beine stellt.
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