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Die Silberne Halbkugel,

Dr. Jürgen Herzog
2023 DNK Silberne Halbkugel Dr. Jürgen Herzog

Dr. Jürgen Herzog © privat

Würdigung

Nicht viele Geschichtsvereine in Städten und Landkreisen konnten sich so erfolgreich als Denkmalforscher, -retter und -vermittler zeigen wie der Torgauer Geschichtsverein e. V. Mit seinem Vorsitzenden Dr. Jürgen Herzog wurden seit 1990 in der herausragend bedeutenden Altstadt zahlreiche gefährdete Bauten gesichert und neu genutzt.
Torgaus Altstadt bildet mit ihrem grandiosen Schloss ein beeindruckendes Ensemble aus Spätmittelalter und Frühneuzeit. Doch seit den 1980er Jahren waren hier bedeutende Baudenkmale zunehmend in Gefahr. Die nach 1990 beginnende Stadterneuerung konnte gar nicht so schnell sein wie bedürftige Denkmale Sicherung brauchten.
Dr. Jürgen Herzogs Engagement hatte durch eine Promotion in der Geschichtswissenschaft ein gutes Fundament für die Forschungstätigkeit eines Geschichtsvereines. Doch die Initiativen von Herzog und seinen Mitstreitenden für Torgauer Baudenkmale bestanden nicht nur in Grundlagenforschung, sondern auch in konkretem Handeln: Sie überzeugten die Stadtöffentlichkeit von der Förderwürdigkeit auch komplexer Instandsetzungen, organisierten Fachtagungen und akquirierten Fördergelder. Durch den Erwerb gefährdeter Baudenkmale, ihre Instandsetzung und Neunutzung als stadtgeschichtliche Erlebnisorte wurden vermeintlich hoffnungslose Fälle gelöst.
Heute sind Torgaus Straßen und Plätze, Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude überwiegend in gutem Zustand. Ohne das Maßstäbe setzende Engagement Herzogs und des Geschichtsvereins hätte die historische Altstadt von Torgau nicht dieses authentische Erscheinungsbild.
Denkmalvermittlung ist der Überbau praktischer Denkmalpflege. Nur so kann Akzeptanz bei Politik und Bürgern dafür erzeugt werden, dass Denkmale Geduld, finanzielle Zuwendung und Achtsamkeit in der Nutzung brauchen, dass das kulturelle Erbe eine Stadt attraktiv aber auch unverwechselbar macht. Zum Glück gibt es in Torgau anhand einzelner Gebäude „große Geschichte“ zu erzählen: von Katharina von Bora, Martin Luther oder Georg Spalatin.
Ebenso war es Herzog und dem Verein ein Anliegen, die instandgesetzten Baudenkmale öffentlich zugänglich zu machen und mit Leben zu füllen. Mit städtischen Akteuren entwickelten sie Ausstellungs- und Betreiberkonzepte für die sieben Renaissancebauten. Der sie verbindende Museumspfad ist einmalig und beispielgebend. Schließlich übernahm der Verein sogar das Stadtmuseum. Das ist sehr viel Verantwortung für Ehrenamtliche.
Die Stadt kann sich glücklich schätzen. Eine treibende Kraft bürgerschaftlichen Engagements ist ein Glücksfall – gerade in Verzagtheitsphasen durch widrige Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung. In Torgau zeigte sich, dass Land und Bund Stadtentwicklung durch und mit dem Kulturerbe durch Fördermittel honorieren.
So wird die Silberne Halbkugel des Deutschen Preises für Denkmalschutz 2023 an Dr. Jürgen Herzog für sein Lebenswerk verliehen, doch die Mitglieder des Torgauer Geschichtsvereins e. V., Stadtverwaltung und -politik sollen sich ebenfalls angemessen belobigt fühlen.

Selbstdarstellung

Vielleicht ist mir Heimatbewusstsein und damit verbundener Hang zu Geschichte und Denkmalpflege schon in die Wiege gelegt worden. Mein erstes gerettetes Denkmal war ein kleines dörfliches Fachwerkbauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, dem ich mich vorwiegend in Eigenleistung ab 1976 gewidmet habe.
Es folgten weitere in Torgau, dabei war immer zunächst die Forschung zur Objektgeschichte wichtig. Vielfach wurde mir seit 1990 Hilfe geleistet – vor allem vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Im Rahmen des Torgauer Geschichtsvereins war es besonderes Anliegen, historisch wertvolle Objekte in unterschiedlichen Eigentumsformen zu übernehmen und für museale Nutzung instandzusetzen und zu restaurieren. So ist schrittweise seit 1997 ein eigener, vom Verein betriebener Museumspfad mit heute sieben museal genutzten Objekten entstanden. Das bedeutendste davon ist das Stadt- und Kulturgeschichtliche Museum im Gebäude der kurfürstlichen Kanzlei aus der Residenzzeit Torgaus im 16. Jahrhundert. Es wurde vor dem Verkauf auf dem Immobilienmarkt zur Entfremdung durch Gewerbe- und Wohnnutzung bewahrt, nachdem wir gegenüber der Stadtverwaltung die Bereitstellung von Fördermitteln nachweisen konnten.
Mein spannendstes Denkmal war das Haus des Bürgermeisters und reichsten Torgauer Bürgers Paul Ringenhain von der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Nachdem ich es selbst auf dem Weg der Versteigerung erworben hatte – ich war der einzige Bietinteressent – begann ein aufregender Weg zur Substanzsicherung und Restaurierung. Ein Weg von Überraschung zu Überraschung. Heute wird das Haus mit überwältigenden Wand- und Deckenmalereien museal präsentiert. Es ist einmalig für Sachsen und wohl auch darüber hinaus. Das alles war nicht möglich ohne begeisterte Mitstreiter, ohne umfassende öffentliche und private finanzielle Förderung. Es sind Gemeinschaftswerke. Und manch einer teilt inzwischen die Begeisterung für den Denkmalschutz und ist zu Opfern bereit, fern aller Berechnung und Wirtschaftlichkeit. Auch ich wohne selbst in einem Denkmal und kann es mir anders auch nicht mehr vorstellen.

www.geschichtsverein-torgau.de

Biografie

• geboren am 10.02.1941 in Torgau
• 1961–1966 Studium an der Bergakademie Freiberg, Fachrichtung Silikathüttenkunde, Abschluss als Diplomingenieur
• 1984 Externe Promotion im Fach
Geschichte an der Karl-Marx-Universität Leipzig zum Dr. phil.
• 1967–1990 Anstellung in leitender Funktion im Flachglaskombinat Torgau
• ab 1990 verschiedene leitende
Anstellungsverhältnisse
• 1992–2016 selbständiger Unternehmer
im Immobilienbereich
• 1972–1989 Leiter der Fachgruppe
Stadtgeschichte Torgau im Kulturbund der DDR
• seit 1990 Vorsitzender des
Torgauer Geschichtsvereins e. V.