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Karl-Friedrich-Schinkel-Ring,

Eva Löber
2021 DNK Karl-Friedrich-Schinkel-Ring Eva Loeber

Eva Löber © privat

Würdigung

1988, in der wirtschaftlich ausgezehrten DDR, waren historische Stadtzentren und -quartiere gefährdet, durch fortschreitenden Verfall verloren zu gehen. Trotz dieser verzagten Situation machten sich junge Idealisten und Idealistinnen auf den Weg. Sie wollten bleiben, das Land verändern, Umweltschutz und Stadterneuerung ermöglichen. Auch in der Lutherstadt Wittenberg bildete sich eine Gruppe. Während dort die Reformationsstätten in einem akzeptablen Zustand waren, waren insbesondere zwei frühneuzeitliche Baukomplexe gefährdet: Die beiden Wohn-, Werkstatt- und Geschäftshöfe der Cranach-Dynastie. Das Foto eines Transparentes mit dem Motto „Wo Häuser verkommen, da verkommen auch Menschen“ aus einem Cranach-Hof ging 1990 durch die Medien der sich wiedervereinigenden Bundesrepublik. Die ZEIT vom 24.11.1989 berichtet auch von Eva Löber und anderen, die Ideen zur Instandsetzung und Nutzung der Cranach-Höfe entwickelt hatten und nun um Spenden für die kaputten Dächer baten. Kultur und Kunst sollten in den Gebäuden Raum bekommen, um die Gesellschaft zu verändern.
Heute sind beide Cranach-Höfe solche Dritten Orte, in denen Kultur und kulturelle Bildung, Kunst, Wissenschaft und Gastfreundschaft einen festen Platz haben. Einheimische und Gäste können zwei nach allen Regeln der Denkmalpflege instandgesetzte Denkmale bewundern und benutzen.
Beim Verwirklichen der 1988 utopisch erscheinenden Ziele haben über Jahrzehnte städtische Verantwortungsträger, das Land Sachsen-Anhalt, der Bund und viele andere Fördernde mitgewirkt. Der tägliche Betrieb dieses Dritten Ortes gelingt, weil nach wie vor sich viele Frauen und Männer aus Wittenberg hier ehrenamtlich engagieren.
Um ein so großes Denkmalpflege-, Kultur- und Bürgerprojekt über Jahrzehnte und alle Hürden am Laufen zu halten, braucht es besondere Energie und Zuversicht, Mut und Frustrationstoleranz und: eine denkmalpflegerische Haltung. Damit gelang es Eva Löber, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung, über 30 Jahre die Utopie von 1988 zu realisieren. Für dieses Lebenswerk wird ihr der Schinkelring verliehen.

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Selbstdarstellung

In den vielen Jahren des Bauens zur Erhaltung der Cranach-Höfe war es immer das Ziel der Cranach-Stiftung, eine äußerst sorgfältige Sanierung zu begleiten, um so viel als möglich historische Substanz zu erhalten. In einem gemeinsamen sehr produktiven Planungs- und Bauprozess der Architekten, der Stadt Wittenberg und der Cranach-Stiftung wurde das Nutzungskonzept umgesetzt. Die Lutherstadt Wittenberg verantwortete gemeinsam mit der Saleg Magdeburg die Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten.
Für die künftige Nutzung der Cranach-Höfe war es das Ziel, das große Spektrum an Tätigkeiten Cranachs sichtbar werden zu lassen als Künstler, Kommunalpolitiker, Apotheker und Ausbilder. Absolute Priorität war und ist dabei die künstlerische Ausbildung von Kindern, die Förderung ihrer Kreativität und der gleichzeitigen Vermittlung von Geschichte am historischen Ort. Sie sind die nächste Generation und ihnen obliegt das Verständnis und Interesse für die kulturhistorischen Gebäude, um deren Erhaltung sie sich später kümmern müssen.
Mit der Ansiedlung von Künstlern und ihren Ateliers sollte ein weiterer lebendiger Ort der Kunst entstehen, der nicht in der Vergangenheit stehen bleibt, sondern der Kunst auch heute einen wichtigen Platz einräumt. Der Cranach-Stiftung ist es gelungen, mit der Fertigstellung des jeweiligen Bauabschnittes die Gebäude sofort der geplanten Nutzung zuzuführen. Der entstandene Malsaal über der Cranach Werkstatt bietet heute nicht nur der Kunst, sondern auch der Musik, dem Theater und künstlerischen Improvisationen Raum zur Entfaltung.
Die Cranach-Stiftung ist aus einer Bürgerinitiative entstanden, hat einen Verein gegründet und mit den gesammelten Spenden die Cranach-Stiftung gegründet und hat nur ein kleines Stiftungskapital, dessen Erträge nie für die Betreibung der umfänglichen Nutzungen ausreichte. Die Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel war eine Sorge, die uns all die Jahre immer treu zur Seite geblieben ist.
Die Cranach-Höfe sind zu einem kulturellen Zentrum im Herzen der Stadt gewachsen und sind heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Große Fotos des verwahrlosten Zustandes beider Höfe erinnern noch einmal an die Zeit, da Cranachs Name wohl ein Fremdwort war. Ohne die friedliche Revolution im Herbst 1989 würden sie wohl auch heute noch dieses Bild bieten.

Biografie

Ausbildung & Berufserfahrung
  • 22.04.1950 geboren in Niesky, verheiratet, zwei Kinder
  • Ausbildung als Handweberin in Görlitz nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule
  • Studium an der Fachschule für Angewandte Kunst Schneeberg; Abschluss Textildesign im Fachbereich Weberei
  • 17 Jahre Künstlerische Mitarbeiterin im Kulturhaus der Stickstoffwerke Piesteritz im Bereich Bildende Kunst, Fotografie, Textildesign, Ausstellungstätigkeit
  • 4 Jahre Künstlerische Mitarbeiterin in der Volkshochschule für die Galerie ART
  • 14 Jahre Ehrenamtliche Mitarbeit im Stadtrat Wittenberg
  • 1994–1998 Leitung des Kulturausschusses
  • 1989 Mitbegründerin der Bürgerinitiative „Rettet die Cranach-Höfe“
  • 1990–1994 Gründung des Vereins Cranach-Höfe Wittenberg e. V. und Übernahme der ehrenamtlichen Leitung des Vereins
  • 1994 Gründung der Cranach-Stiftung – Übernahme der Geschäftsführung bis 01.07.2021
Arbeitsschwerpunkte in der Tätigkeit für die Rettung der Cranach-Höfe
  • 1989–1994 Bekanntmachen des Projektes zur Rettung der Cranach-Höfe durch Infostände, Presseartikel und Spendenwerbung
  • Improvisieren der künftigen Nutzung durch kulturelle Veranstaltungen im Hof, Werbung von Künstlern zur Mitwirkung, erstes Hoffest mit Kunstauktion, deren Erlös in das Projekt flossen
  • 1992 In unbeheizbaren Räumen und unter freiem Himmel begann die Arbeit mit Künstlern und Kindern
  • 1994 Die Stiftung Denkmalschutz unterstützt das Projekt mit der Finanzierung des Dachstuhles für die Cranach-Werkstatt, Südflügel des Hofes Schlossstraße 1, dessen Dach bei einem Sturm eingestürzt war. Um einen neuen Dachstuhl aufsetzen zu können, musste die Stadt zunächst den Innenausbau realisieren. Das Richtfest war das erste sichtbare Zeichen für die beginnende Rettung.
  • 1996 Mit eingeworbenen Stipendien kann die Cranach-Stiftung erstmals Künstler zu einem Aufenthalt in den Cranach-Höfen einladen.
  • 1997 Die Malschule wird offiziell im Beisein des Kultusministers und des Geschäftsführers der EXPO eröffnet. Durch Teilabordnungen von Kunstpädagogen durch das Kultusministerium ist ein Start mit Personal möglich.
  • 1992–1998 Begleitung der Forschungs- und Planungsarbeit für das Wohnhaus Cranachs im Markt 4 mit der Zielstellung, ein Haus für die Kunst, die Kultur und das Wohnen zu entwickeln.
  • Am 6.6.1998 wird der Markt 4 eingeweiht mit einer ersten Dauerausstellung zum Leben und Wirken von Lucas Cranach d.Ä. und Lucas Cranach d.Jüngeren sowie der Vorstellung der Forschung zum Haus mit Deckenmalereien der Cranach-Zeit.
  • 1993–1998 Während der Sanierung von Markt 4 gibt es in der Schlossstraße 1 eine Galerie im 2. Stock mit Ausstellungen von Max Liebermann, Max Beckmann und weiteren Künstlern, sowie Filmvorstellungen mit den Biografien der Künstler.
  • Es entsteht in den ehemaligen Wohnräumen der Schlossstraße 1 schon ein Kreativzentrum des Cranach-Höfe Wittenberg e. V. und mehrere Räume für Bildende Künstler, Fotografen, einen Jugendverein, Textilkünstler (auch Klöppler).
  • Viele Kulturstätten der DDR werden geschlossen und die kulturell Aktiven werden in den Cranach-Höfen aufgenommen, wenn auch unter primitiven sanitären Bedingungen.
  • Die Evangelische Akademie wird wieder aktiviert und findet zunächst in den Galerieräumen der Cranach-Stiftung einen Tagungsort.
  • ab 1997 Die Malschule bietet viele Kurse an, um Kinder an die Kunst heranzuführen und ihre Kreativität zu fördern. Kooperation mit verschiedenen Schulen führen zu Projektarbeit der Kinder in den Cranach Höfen und damit kommen sie in Berührung mit der Kulturgeschichte des Ortes
  • 2003–2007 In der II. Bauphase des Cranach-Hofes Markt 4 wurden aktiv Künstler geworben, die nach der Sanierung ihre Ateliers an diesem Ort einrichten können.
  • Gleichzeitig wird in Kooperation mit der Hochschule Merseburg eine Kulturakademie entwickelt, die einen Masterstudiengang anbieten wollte.
  • Die Cranach-Höfe konnten damit auch wieder als Ausbildungsstätte dienen.
  • 2009 Das Vorderhaus und das Haus II in der Schlossstraße 1 wird seiner Bestimmung als Ort des Wohnens und Arbeitens in den Cranach-Höfen fertig gestellt.
  • 2021 Ist noch immer der westliche Fachwerkflügel des Hofes Schlossstraße 1 unsaniert und bedarf dringend der Sanierung.
  • Auch in diesem Gebäudeteil soll die Kunst neben den für einen Wohnort notwendigen Allgemeinplätzen Raum finden.