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Medienpreis,

Karsten Gravert
2023 DNK Medienpreis Karsten Gravert

Karsten Gravert © privat

Würdigung

„Geschichte ist Geschichte, man kann sie nicht umschreiben“. Das sagt in der 3sat/ZDF-Dokumentation „Der antisowjetische Denkmalsturz – Vergangenheitsbewältigung mit dem Presslufthammer“ eine junge Frau mitten im Krieg in Kiew. Sie steht vor dem sowjetischen Denkmal der Völkerfreundschaft.
Von Völkerfreundschaft kann jetzt freilich keine Rede mehr sein. Was sagen den Ukrainerinnen und Ukrainern die Hinterlassenschaften des roten Imperiums? Abreißen oder erhalten? Mit dieser heiklen Frage beschäftigen sich der 3sat-Autor Karsten Gravert und sein Team.
Sensibel, differenziert, lebendig, das Thema gründlich von allen Seiten betrachtend reist Gravert nach Kiew, nach Lettland und ist in Berlin unterwegs. Ein heißes Thema: In Osteuropa fallen die Denkmale, Stein- und Bronze-Kolosse verschwinden, die an den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland erinnern. Doch sollte man die sowjetischen Soldaten, die Hitler besiegt haben, nicht in Ehren halten? Trotz Putin? Die Dokumentation zeigt eindrucksvoll, wie schwierig der richtige Umgang mit Denkmälern der Vergangenheit ist. Und wie unterschiedlich die Perspektive auf diese Symbole des sowjetischen Sieges in verschiedenen Ländern ist, denn nur in Deutschland werden diese Denkmale weiter restauriert. Auf der zentralen Straße des 17. Juni im Berliner Tiergarten stehen zwei T34-Panzer und am monumentalen sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park prangen sogar Stalin-Zitate in goldenen Lettern. Viele Länder, die unter der Sowjetherrschaft gelitten haben, sehen in den Denkmälern aber vor allem eines: koloniale Gesten Russlands. Junge Aktivistinnen aus der Ukraine schütteln nur den Kopf über die sorgsam gehüteten Monumente.
Gravert vermag es, mit einem klugen Kommentar, einer lebendigen Kamera und sehr authentischen O-Tönen das Thema Vergangenheitsbewältigung im Angesicht des Angriffskrieges zu fassen.
Eine Instagramerin, die die Geschichte in Kiew nicht verschwinden lassen will, der Leiter des Berliner Museums Karlshorst, der um Differenzierung bemüht ist oder Aktivistinnen contra Russenmonumente, sie alle fügt Gravert zu einem vielsprachigen Chor zusammen. Die Dokumentation wird in der 3sat-Mediathek auch in einer Fassung mit ukrainischen Untertiteln angeboten.
Nach 2021 wird Karsten Gravert im Jahr 2023 erneut der Medienpreis des Deutschen Preises für Denkmalschutz verliehen. In diesem Jahr für seine herausragende Dokumentation über Wert und Verfallswert von Denkmälern und das Plädoyer, die Monumente als Zeugnisse einer grausamen Geschichte nicht spurlos verschwinden zu lassen.

Entdecken Sie die Dokumentation in der Mediathek

Biografie

Geboren 1973, wuchs Karsten Gravert in Hamburg auf und studierte in Marburg, Moskau und Berlin Literatur- und Theaterwissenschaften. Nach einem Volontariat beim Mitteldeutschen Rundfunk in Leipzig ging er zur Kobalt Productions GmbH nach Berlin. Dort leitete er das Theatermagazin „Foyer“ (3sat), das europäische Kulturmagazin „Metropolis“ (ARTE) und die für den Grimmepreis nominierte Feuilletonsendung „Kulturpalast“ (3sat).
Zur Zeit produziert er vor allem Reportagen mit Schwerpunkt Osteuropa sowie Kulturdokumentationen, in denen Themen an der Schnittstelle zwischen Politik und Kultur kontrovers diskutiert werden.
Mit einem Streit um Denkmäler befasste er sich bereits 2020 zusammen mit seiner Kollegin Nicole Blacha in dem Film „Der große Denkmalsturz“, der die antikoloniale Denkmalkritik im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung behandelte.