Medienpreis,
Michael Bermeitinger © Sascha Kopp
Würdigung
Mit Napoleon oder Goethe durch Mainz zu laufen, über die Südbrücke im Zug bis Athen und Istanbul zu gelangen, eine Gasanstalt als Festung zu erleben oder zu Wagner, Wader oder den Hausbesetzern zu spazieren – hierzu lädt der Journalist und Autor Michael Bermeitinger mit seiner Print- und Podcastreihe „Mainzer Stadtspaziergang“ ein. Schon allein die Titel der seit September 2018 erscheinenden Reihe machen neugierig auf eine Stadt im Wandel, auf eine Stadt, die sich häutet. Michael Bermeitinger verknüpft hierin die Mainzer Stadtgeschichte mit der baulichen Entwicklung – mit Denkmälern ebenso wie mit einfachen Bestandbauten, aber auch mit baulichen Verlusten.
Michael Bermeitinger lebt seit 1974 in Mainz, ist seit 1988 Redakteur der Allgemeinen Zeitung Mainz. Seit 2012 schreibt er in der Lokalredaktion Mainz. In seinen „Stadtspaziergängen“ erkundet er die bekannten und weniger bekannten Ecken der Stadt mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten. Er erzählt von den Verwundungen der Stadt, setzt sich in Text und Bild mit menschlichen, sozialen und politischen Verhältnissen der verschiedenen Epochen auseinander und bringt so Stadtbild, Straßenzüge, Stadtviertel, Denkmäler und historische Gebäude näher. Die vielen Veränderungen der letzten Jahrhunderte werden im heutigen Stadtbild für die Leserinnen und Leser gut nachvollziehbar. In bisher über 210 Folgen der Reihe, die auch in acht Büchern erschienen sind, entstand ein vielgestaltiges Stadtporträt. Auf der Grundlage sowohl einer eigenen Foto- und Postkartensammlung als auch der im Mainzer Stadtarchiv bewahrten Archivalien dokumentiert Bermeitinger das baukulturelle Erbe der Stadt, die großen historischen Linien, aber auch den Alltag der Menschen.
Mit seiner Reihe zeigt Michael Bermeitinger, wie vergänglich oder zukunftsweisend, wie kurzsichtig oder weitreichend politische, gesellschaftliche oder baukulturelle Entscheidungen sein können. Er weckt damit bei seiner Leser- und auch Hörerschaft nicht nur Interesse an Stadtgeschichte, sondern auch an denkmalpflegerischen Maßnahmen und am Erhalt baukultureller Zeugnisse.
Bei der Reihe „Mainzer Stadtspaziergang“ handelt es sich um einen herausragenden journalistischen Beitrag zum Umgang mit dem baukulturellen Erbe, der auf ganz besondere Weise auf Denkmalthemen im gesellschaftlichen Kontext aufmerksam macht. Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz würdigt dieses besondere Engagement von Michael Bermeitinger mit dem Medienpreis des Deutschen Preises für Denkmalschutz 2023.
Selbstdarstellung
Seit 38 Jahren arbeite ich für die Allgemeine Zeitung, seit elf Jahren wieder in der Lokalredaktion Mainz, in der auch meine journalistischen Wurzeln liegen. Die Geschichte der Stadt in den vergangenen 150 Jahren ist eine wichtige Facette meiner Arbeit. Stadtentwicklung, Kriegszeiten, Zerstörung, Besatzung, Wiederaufbau waren unter anderem die Themen. Besonderes Gewicht lag auf der Zeit zwischen 1933 und 1945, ein noch in den 80er und 90er Jahren konfliktträchtiges Gebiet. Nicht in der Wertung jener Jahre, sondern vor allem durch die in wichtigen Teilen nicht faktenbasierte Überlieferung der Ereignisse – auch durch unsere Zeitung. Leserinnen und Leser, aber auch Institutionen schätzen es nicht, wenn ihre Erinnerungen korrigiert werden. Vielfach wurde die Berichterstattung angegriffen, teils gab es Versuche, sie zu unterbinden. Die Zeitung hat dem standgehalten.
Folgten die Berichte und Serien zu Jahrestagen einer tradierten Form, schlägt die 2018 begonnene Serie „Stadtspaziergänge durch Mainz“ einen neuen Weg ein. Sie folgt nicht bestimmten Daten und Ereignissen, sondern erzählt die Geschichte(n) der Stadt Straße für Straße, Platz für Platz. Stadtentwicklung, Architektur, Sozialgeschichte, Wirtschaft und Verkehr spielen eine Rolle, politische wie gesellschaftliche Entwicklungen, der Alltag der Bewohner, ihre Arbeit und Freizeit.
Dabei gilt es nicht nur, den Mainzern die Geschichte ihrer Stadt, ihres Viertels, ihrer Straße und ihrer Nachbarschaft zu erzählen, sondern vor allem auch darum, Bewusstsein zu schaffen. Warum sieht Mainz an manchen Orten so schlimm aus, warum ist der Wiederaufbau an mancher Stelle geglückt, anderenorts missraten, welche Rolle spielte und spielt gerade der Denkmalschutz? Warum bedürfen Bauten der Aufbauzeit dieses Schutzes, welche Gebäude der Nachkriegszeit sind erhaltenswert und welche Bedeutung kommt der Rekonstruktion von Teilen des historischen Stadtbilds zu?
Die „Stadtspaziergänge“ starteten im Oktober 2018, erscheinen seither mit wenigen Ausnahmen allmontäglich und in aller Regel fast ganzseitig. Angepeilt sind 275 Folgen, ein Nachfolgeformat ist in Arbeit. Die Serie stößt seit Beginn an auf starke Resonanz. Nicht allein bei der Printleserschaft, sondern auch bei den jüngeren Usern unserer Onlineportale – ein gutes Zeichen für künftige Projekte.
Aus der Serie entstand eine Buchreihe, die es in den vergangenen vier Jahren auf neun Bände mit einer Gesamtauflage von deutlich über 25.000 Exemplaren gebracht hat. Zudem läuft seit zweieinhalb Jahren die Podcastreihe „Hörspaziergänge“ mit bislang über 50 Folgen, bei der die Wege der Stadtspaziergänge – meist mit den Inhalten von fünf Serienteilen in einer Hörfolge – nachgegangen werden.